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In sieben Minuten zur ersten Million
Von Bettina Weiguny
Für Stefan Bayer geht es an diesem Tag um 600 000 Euro. Um die Zukunft seines Start-ups. Um seine Zukunft als Unternehmer. Wenn er gut ist in München, steigen die hier versammelten Investoren in seine Berliner Klitsche ein. Wenn nicht, muss er andere Finanzquellen finden, um mit "Sofatutor" loslegen zu können. Sieben Minuten darf er gleich präsentieren. Hop oder top.
Nervös müsste er sein, der Absolvent der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften. Er weiß, von einer Bank erhält er kein Kapital. "Die wollen Sicherheiten sehen, Anlagen, Lastwagen oder die Umsatzentwicklung der vergangenen fünf Jahre. Das haben wir alles nicht." "Sofatutor" ist eine neue Online-Plattform für Schüler-Lernvideos. Nachhilfe am Computer. Für Banken sind solche Geschichten viel zu riskant in diesen Zeiten. Deshalb ist Bayer auf der Suche nach mutigeren Geldgebern, nach Business Angels oder Venture Capital. In München darf er vor Brains-to-Ventures (b-to-v) präsentieren, einem Netzwerk von Investoren,[link widoczny dla zalogowanych], die zum Großteil angefangen haben wie er: mit einer Idee, mit Wagemut,[link widoczny dla zalogowanych], aber ohne Geld. Derzeit finanziert Bayer sich durch ein Gründer-Stipendium der Humboldt-Universität, die ihm einen leeren Uni-Trakt zur Verfügung gestellt hat,[link widoczny dla zalogowanych], Computer und Büro-Ausrüstung. Nächsten Monat muss er die Büros räumen. Wohin dann? Er weiß es nicht.
Trotzdem lehnt er entspannt am Stehtisch, morgens um halb neun. Er plauscht mit den Investoren, die eintrudeln. Außer ihm wurden zwei weitere Entrepreneure zum Gespräch geladen. So ist auch der Israeli Ziv Gottesfeld aus Tel Aviv angereist, um für seine Brennstoffzelle zu werben. Der Physiker steht abseits, studiert konzentriert seine Unterlagen, ist nicht ansprechbar. Er und sein Vater brauchen für Cellera viele Millionen,[link widoczny dla zalogowanych], über viele Jahre hinweg, in vielen Tranchen. Hier will er schon mal 1,4 Millionen einsammeln.
Bayer und Ziv Gottesfeld wurden ausgewählt aus etwa 300 Bewerbern, die b-to-v-Gründer Florian Schweitzer und sein Team geprüft haben. Der Unternehmerzirkel investiert in verschiedene Branchen: Viele Online-Dienste sind darunter, aber auch Exoten wie "Voss", ein Luxus-Mineralwasser aus Norwegen mit Madonna als Stammkundin. Einer aus dem Unternehmerzirkel muss vom Geschäft etwas verstehen und als "Lead-Investor" für den Deal bürgen, also mit eigenem Geld. Findet sich niemand, hat sich der Deal zerschlagen.
Etwa 50 potentielle Geldgeber sitzen im Hauptgebäude der Ludwig-Maximilians-Universität, und jeder wägt ab: Ist das eine Firma,[link widoczny dla zalogowanych], an der ich mich beteiligen will? Wenn ja,[link widoczny dla zalogowanych], mit wie viel Geld? Am Ende des Tages wird feststehen,[link widoczny dla zalogowanych], wie viele von ihnen wie viel Geld geben. Ob es reicht für Bayer oder seine Mitbewerber - oder eben nicht.
Viele der ausschließlich männlichen Investoren sind selbst bekannte Gründer. Lars Hinrichs etwa. Der Erfinder des Business-Netzwerks Xing hat selbst bei b-to-v präsentiert. 2004 war das, in Zürich. Hinrichs war ein unbekannter Jungspund, aber Xing war schon relativ erfolgreich, zumindest in Mitgliederzahlen. Hinrichs erhielt 450 000 Euro als Finanzspritze. Inzwischen hat er sich aus dem operativen Geschäft von Xing verabschiedet,[link widoczny dla zalogowanych], und steckt das verdiente Geld in die Ideen anderer. "Ich habe ein klares Raster: Ich investiere nicht in Copycats, die Idee muss neu sein. Sie muss den Markt verändern oder einen neuen kreieren. Zudem muss das Team überzeugen und zumindest einen Prototyp vorweisen können."
Auch der Scout24-Gründer Joachim Schoss will Pioniere entdecken und nutzt b-to-v als "Teil der normalen Vermögensanlage". Zwei Dutzend Unternehmen hat er gegründet. Scout24 hat ihn reich gemacht. Dann aber kam dieser Motorradurlaub in Südafrika, der sein Leben veränderte. Ein betrunkener Golf-Fahrer erfasste ihn frontal, Joachim Schoss verlor einen Arm und ein Bein, rang wochenlang um sein Leben. Nun will er nur noch Geschäftsideen fördern, bei denen er einen gesellschaftlichen Nutzen erkennt,[link widoczny dla zalogowanych], "irgendeinen sinnvollen Zweck".
In diesen illustren Investorenkreis kann sich einreihen, wer 100 000 Euro pro Jahr über das b-to-v-Netzwerk investieren will, erklärt Florian Schweitzer. "Und es darf nicht wirklich schmerzen, falls das Geld verloren ist." Drei von zehn Ideen scheitern. Aber es ist eben immer mal wieder ein Volltreffer dabei. Gehört einer der Entrepreneure in München zu den Auserwählten? 420 Sekunden hat jeder von ihnen auf der Bühne. Denn: "Wer seine Idee in sieben Minuten nicht rüberbringt,[link widoczny dla zalogowanych], schafft es nie."
Stephan Bayer ist als Erster an der Reihe. Um 9.15 Uhr schnappt er sich Netbook und Vittel-Flasche und eilt in Sneakers zum Podium. "Ich rede oft zu schnell",[link widoczny dla zalogowanych], beginnt der quirlige Gründer und klickt sich durch die Charts seines "Sofatutors". Die Videos dafür kann jeder drehen, wenn er Kurvendiskussion, passé composé oder einen Vulkan in zwei, drei Minuten gut, richtig und möglichst knackig erklärt. Das Geschäftsmodell: Die Schüler zahlen ein paar Euro im Monat und können sich unbegrenzt durch alle Fachgebiete zum Abitur surfen. "Sofatutor" überwacht die Qualität der Videos, stimmt die Inhalte mit Lehrplänen ab. Bayer bleiben noch drei Minuten. Einige Nachzügler strömen herein. Es gab Verzögerungen am Flughafen. Bayer hastet durch seinen Finanzplan: Umsatzentwicklung bis 2014, Gewinn erstmals in drei Jahren. Budgetierung. Finanzierungsbedarf. Dann noch Zahlen,[link widoczny dla zalogowanych], die tatsächlich zu schnell aus ihm hervorsprudeln. "Vielen Dank." Das war's.
Schon hält Ziv Gottesfeld seinen glänzenden Brennstoffzellenprototyp hoch und spult die Vorzüge in fließendem Englisch herunter: billiges Aluminium statt Platin, deshalb 70 Prozent niedrigere Kosten, ein "Fünf-Milliarden-Markt", allein im Bereich erneuerbare Energien. Stichwort Stromspeicher bei Wind- und Solaranlagen. Die meisten steuern auf Bayer zu.
Die Nachhilfe-Flatrate kommt gut an,[link widoczny dla zalogowanych], es sind viele Väter unter den Investoren, die ein Lied singen können von teuren Nachhilfestunden. Nebenan erklärt Gottesfeld in kleiner Expertenrunde die technischen Details der Brennstoffzellentechnologie. Erfinder ist sein Vater, ein renommierter Chemiker und Brennstoffzellenexperte. Der aber ist weit über siebzig. Ein Manko aus Sicht der Investoren. "Was ist mit dem Knowhow, wenn ihm etwas passiert?", wollen sie wissen. Bleibt an Bord, beruhigt der Junior.
Um 11.30 Uhr treffen sich die Investoren. Die Tür schließt sich. Die Entrepreneure müssen draußen warten. Drinnen warnt einer der Geldgeber vor zu großer Begeisterung für "Sofatutor". "Ich bin nicht überzeugt vom didaktischen Produkt", sagt er, "soll das nun Bildung sein oder Entertainment?" Der Nächste gibt zu bedenken, dass bei der Brennstoffzelle der Finanzierungsbedarf viel höher sei als veranschlagt. Die beiden Brennstoffzellenexperten im Kreis werden ausgequetscht: Wie schätzen sie Markt,[link widoczny dla zalogowanych], Wettbewerb und das Produkt selbst ein? Die Ersten machen bereits ihre Kreuzchen auf ihren Absichtserklärungen und tragen ein, in welcher Höhe sie bei wem einsteigen wollen. Andere werden das erst im Verlauf des Tages tun.
Am Abend sammelt Schweitzer die Zettel ein. Da ist Stephan Bayer bereits zurück in Berlin, bereitet einen Messeauftritt am nächsten Tag vor. Und Gottesfeld ist auf dem Weg zurück nach Israel. Sie wissen es nicht,[link widoczny dla zalogowanych], aber für sie war es ein guter Tag. Für beide gibt es genügend Zusagen. Ab jetzt werden die Details verhandelt. Und nebenbei hat Bayer ein paar neue Abonnenten für seine Lernvideos gewonnen.相关的主题文章：

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